Eine elektrische Parkbremse ist ein feine Sache – man braucht nur einen Schalter betätigen und schon wird die Bremse optimal angezogen, ein erneutes Betätigen löst die Bremse wieder. Bei der Wartung müssen allerdings einige Dinge beachtet werden, um die Mechanik der elektrischen Stellglieder nicht zu beschädigen.
Bei Fahrzeuge der VAG-Gruppe, also Audi, Seat, Skoda, Volkswagen etc. wird hierfür ein Diagnosetool wie z.B. VCDS benötigt. Da ich selbst im Internet nur wenige Informationen zu dem Thema finden konnte und die Quellen dabei auch noch verschiedene Wege vorschlugen, habe ich mich entschlossen, die für mich beste Methode durchzuführen und ein wenig zu dokumentieren.
Dies möchte ich am Beispiel meines Audi A6 4F zeigen, bei dem die hinteren Bremsbeläge erneuert werden mussten. Bei anderen Fahrzeugen funktioniert es auf die gleiche Art und Weise.
Zunächst ein wichtiger Hinweis: Dieser Betrag wurde nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Ich übernehme dennoch keinerlei Haftung für Schäden, die durch die Durchführung entstehen können. Die Wartung einer Bremsanlage ist keine Raketenwissenschaft, dennoch sollte man wissen was man tut. Bitte führt diese Art von Arbeiten nicht durch, wenn ihr euch nicht absolut sicher seid, was zu tun ist. Ein mögliches Versagen der Bremse im öffentlichen Straßenverkehr ist nicht nur für euch, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer äußerst gefährlich!
Schritt 1: Sicherstellen der Stromversorgung
Nachdem das Fahrzeug einen sicheren Platz auf der Hebebühne eingenommen hat, muss eine externe Energieversorgung bereitgestellt werden. Es kann unter Umständen passieren, dass eine nicht mehr ganz “frische” Batterie den notwendigen Strom nicht liefern kann, ohne dass die Lichtmaschine bzw. der Motor läuft.
Die Boardelektronik der elektrischen Parkbremse ist hinsichtlich Spannungsschwankungen recht empfindlich, wenn die Bremse in Grundstellung gefahren wird. Hintergrund ist die Erkennung der Endlage über einen kurzen Stromanstieg. Bricht in diesem Moment die Boardspannung ein, befinden sich die Stellmotoren an einer nicht definierten Position, da das Steuergerät bei Unterspannung einfach neu startet. Der Aufwand, dies zu korrigieren ist erheblich, also am besten gleich ein Ladegerät anklemmen und kein Risiko eingehen…
Ich verwende ein DBL-430 von Deutronic, es geht aber auch mit jedem beliebigem (hochwertigem) Ladegerät für KFZ-Batterien.
Das Ladegerät kann entweder direkt mit der Batterie oder wie in meinem Fall mit dem Ladepins im Motorraum verbunden werden. Über diese Pins wurde das Fahrzeug übrigens auch während seiner Fertigung im Werk geladen, ist also kein Problem.
Schritt 2: Stellmotoren in Grundstellung fahren
Dazu wird zunächst die Zündung eingeschaltet, der USB-Dongle mit dem OBD-Anschluss im Fahrzeug verbunden und VCDS auf dem Computer gestartet. Wichtig: Die Parkbremse darf nicht angezogen sein, ggf. lösen!
Sobald man mit VCDS Zugriff auf das Fahrzeug hat, wählt man im Reiter “Antrieb” den Button “53 – Feststellbremse”. Ich würde empfehlen, vor dem Fortfahren noch den Fehlerspeicher des Steuergerätes Feststellbremse auszulesen, um später keine unliebsamen Überraschungen zu erleben.
Ist VCDS mit dem Steuergerät verbunden, wählt man den Button “Grundeinstellung – 04”. Im nun folgenden Menü findet man eine Dropdownmenü, hier wählt man die Funktion “Kolben der Feststellmotoren öffnen”. (Für den Fall dass für euer Fahrzeug kein entsprechendes Dropdown-Menü zur Verfügung steht, wählt einfach oben Block “007” aus.)
Nun sollten die beiden Stellmotoren in Grundstellung fahren und dort stehen bleiben. Oben werden die Stromwerte für den linken und rechten Motor angezeigt. Stehen beiden wieder auf 0,00A hat das Öffnen geklappt. Mit “Fertig, zurück” das Fenster “Grundstellung” schließen. Anschließend VCDS komplett schließen und die Zündung ausmachen. Zündschlüssel abziehen und beiseite legen.
Schritt 3: Bremskolben zurückdrücken und Wartung durchführen
Nun kann wie gewohnt der Service an der Bremsanlage durchgeführt werden. Der Bremskolben sollte sich wie gewohnt bis zum Endanschlag zurückdrücken lassen. Ich werde darauf nicht näher eingehen, da ich davon ausgehe, dass jemand der sich diesen Beitrag durchließt weiß, wie man eine Bremsanlage fachgerecht wartet.
Kleiner Tipp am Rande: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Audi-Bremsen (ATE) sehr zum Quietschen neigen. Abhilfe schafft die Anti-Quietsch-Paste von Liqui Moly (Best.-Nr. 3077), damit habe ich auch dauerhaft das Gejaule auf der Vorderachse (347mm Bremsscheiben) wegbekommen.
Schritt 4: Bremsbeläge manuell anlegen
Bevor der Stellmotor wieder geschlossen wird, müssen die Bremsbeläge sauber im Bremssattel bzw. am Kolben anliegen. Dazu wird einfach das Bremspedal mehrere Male langsam betätigt um wieder Bremsdruck im Kolben aufzubauen. Nochmal kontrollieren, ob alles sauber anliegt, dann können auch schon die Stellmotoren wieder zurückgefahren werden.
Schritt 5: Stellmotoren wieder schließen
Jetzt können die Stellmotoren wieder geschlossen werden. Dazu geht man vor wie in Schritt 3, allerdings wird im Fenster “Grundeinstellung” im Dropdownmenü nun der Punkt “Kolben der Feststellmotoren schließen” gewählt. (Für den Fall dass für euer Fahrzeug kein entsprechendes Dropdown-Menü zur Verfügung steht, wählt einfach oben Block “006” aus.)
Beide Motoren fahren nun in die Sollposition. Sobald der Vorgang erfolgreich abgeschlossen wurde, stehen die Stromwerte der beiden Motoren wieder auf 0,00A.
Schritt 6: Funktionsprüfung der Stellmotoren
Damit die Stellmotoren ihre neuen Endpositionen kennen, wird nun noch eine Funktionsprüfung durchgeführt. Dazu wählt man im Dropdownmenü “Funktionsprüfung” aus. (Block “010”, falls keine Funktion vorhanden). Anschließend fahren die beiden Stellmotoren drei Mal komplett zu und wieder auf. Die neuen Endpositionen sind somit auch erkannt. Den Abschluss des Vorgangs erkennt man wieder daran, dass die Stromwerte der beiden Motoren wieder 0,00A stehen bleiben.
Schritt 7: Abschluss und Probefahrt
Nun kann das Fenster mit “Fertig, zurück” geschlossen und VCDS beendet werden. USB-Dongle abziehen und die Parkbremse auch nochmal mit dem Taster im Fahrzeuginnenraum betätigen.
Sind die Räderwieder montiert, kann das Ladegerät entfernt und das Fahrzeug von der Hebebühne gefahren werden.
Anschließend steht einer Probefahrt nichts mehr im Wege, auf der die die neuen Bremsbeläge und ggf. -scheiben auf ihre Funktion eingebremst werden können.
Hallo Herr Suchanek,
leider habe ich Ihre Beschreibung zu Bremsenwartungbeim A6 4F zu spät gelesen und es ist genau die beschriebene Katastrophe passiert. Beim zufahren der Stellmotoren ist die Spannung zusammengebrochen und jetzt streikt das Steuergerät. Fehler
02432 – Feststellmotor links Spannungsversorgung (V282)
012 – elektrischer Fehler im Stromkreis – Warnleuchte EIN
und
02433 – Feststellmotor rechts Spannungsversorgung (V283)
012 – elektrischer Fehler im Stromkreis – Warnleuchte EIN
sind nicht mehr löschbar. Sie schreiben von erheblichem Aufwand um das wieder zu korrigieren.
Bedeutet das ein neues Steuergerät oder kann man das Steuergerät retten ?
Besten Dank und Frohe Weihnachten
JU
Hallo Jörg,
dann ist leider genau der worst case eingetreten. Das Steuergerät hat die Position der Stellantriebe der Handbremse verloren. Diese müssen wieder in Nullstellung gebracht werden, leider unterstützt VCDS meines Wissens diese Funktion bisher nicht.
Evtl. kann hier jemand mit VCP oder einem Bosch-Tester weiterhelfen, ansonsten bleibt wohl nur der Besuch in der Audi-Werkstatt.
Viele Grüße
Manuel